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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
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Einfuhrumsatzsteuer unterliegt den zollrechtlichen Bestimmungen

Als Einfuhrabgabe unterliegt die Einfuhrumsatzsteuer den sinngemäß geltenden Vorschriften für Zölle, weshalb ein sich bei der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer ergebender Unterschiedsbetrag nicht nach § 233a AO zu verzinsen ist.

BFH Urteil vom 23.09.2009 Az.: VII R 44/08



vorgehend FG Düsseldorf 4. Senat, 1. Oktober 2008, Az: 4 K 3994/07 Z, Urteil

Tatbestand


I. Mit Bescheiden vom August 2001 nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt –HZA–) die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als Gesamtschuldner für Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) in Anspruch. Auf den zugleich mit ihrem Einspruch gestellten Antrag setzte das HZA die Vollziehung der Bescheide gegen Sicherheitsleistung aus. Im Dezember 2001 entrichtete der Kläger die Einfuhrabgaben. Die Klägerin machte die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Folgemonat als Vorsteuer geltend.


Die Kläger erhoben im Oktober 2007 Untätigkeitsklage. Im Dezember 2007 hob das HZA die angefochtenen Bescheide auf und erstattete die Einfuhrabgaben. Daraufhin erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt; die Kläger beantragten jedoch, das HZA zu verpflichten, auf die erstattete Einfuhrumsatzsteuer Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) festzusetzen.


Das Finanzgericht (FG) stellte das Verfahren ein, soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden war, und verpflichtete das HZA im Übrigen aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2009, Beilage 1, 8 veröffentlichten Gründen Zinsen nach § 233a AO festzusetzen.


Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes und nach § 21 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eine durch die Bundesfinanzbehörden verwaltete Verbrauchsteuer sei, für die deshalb eine Verzinsung nach § 233a AO nicht in Betracht komme.

Entscheidungsgründe


II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt, soweit das HZA verpflichtet worden ist, Zinsen auf die erstattete Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 233a AO festzusetzen, zur Änderung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).


§ 233a AO regelt die sog. „Vollverzinsung“ oder auch „Verzinsung vor Fälligkeit“ von Steuerforderungen im Bereich bestimmter, in Abs. 1 der Vorschrift aufgezählter Steuerarten –zu denen auch die Umsatzsteuer gehört–, bei denen der zeitliche Abstand zwischen Entstehung und Fälligkeit der Steuer oftmals groß ist, und erfasst daher nicht Steuerarten, bei denen die Festsetzung typischerweise zeitnah nach Steuerentstehung erfolgt, wie dies z.B. bei Zöllen und Verbrauchsteuern der Fall ist (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler –HHSp–, § 233a AO Rz 1, 5, 17; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 233a Rz 1, 6, 8; Schwarz in Schwarz, AO, § 233a Rz 1).


Die Einfuhrumsatzsteuer ist –wie das FG zutreffend ausgeführt hat– gemäß § 1 Nr. 4 UStG eine Form der in § 233a Abs. 1 AO mit aufgeführten Umsatzsteuer. Sie weist aber im Vergleich zur sog. inneren Umsatzsteuer Besonderheiten auf, die zeigen, dass die Vorschrift des § 233a AO über die Verzinsung vor Fälligkeit für die Einfuhrumsatzsteuer nicht passt.


1. Der maßgebende Unterschied ist allerdings nicht in dem Umstand zu sehen, dass die Einfuhrumsatzsteuer nach der Definition des § 21 Abs. 1 UStG eine Verbrauchsteuer i.S. der AO ist (anders FG Bremen, Urteil vom 28. April 1992 II 143/87 K, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 503), denn die kurze für Verbrauchsteuern geltende einjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), deretwegen diese Steuern von § 233a AO nicht erfasst werden (vgl. Heuermann in HHSp, § 233a AO, Rz 23; Klein/Rüsken, a.a.O., Rz 6; Schwarz in Schwarz, a.a.O., Rz 1), gilt nicht für die Einfuhrumsatzsteuer, die nach dem gemäß § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß anzuwendenden Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex (ZK) einer dreijährigen Festsetzungsfrist unterliegt. Auch lässt sich allein aus dem Umstand, dass in § 233a Abs. 1 AO keine andere Verbrauchsteuer genannt ist, nicht schließen, dass auch die Umsatzsteuer, soweit sie in Gestalt der Einfuhrumsatzsteuer als Verbrauchsteuer definiert ist, für eine Vollverzinsung nicht in Betracht kommen kann.


2. Die Einfuhrumsatzsteuer ist allerdings insofern eine besondere Art der Umsatzsteuer, als sie im UStG nur unvollständig, nämlich hinsichtlich des die Leistungspflicht auslösenden Tatbestands (Einfuhr von Gegenständen, § 1 Nr. 4 UStG), der Steuerbefreiungen (§ 5 UStG), der Bemessungsgrundlage (§ 11 UStG) und des Steuersatzes (§ 12 UStG), jedoch im Übrigen durch die nach § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß geltenden Zollvorschriften geregelt ist, womit die Einfuhrumsatzsteuer in wesentlichen Bereichen, nämlich der Entstehung der Steuerschuld, der Bestimmung des Steuerschuldners, des Orts der Steuerschuldentstehung, des Erlöschens und des Erlasses bzw. der Erstattung der Steuer aus dem sachlichen Regelungsbereich des UStG ausgewiesen und durch das gemeinschaftsrechtliche Zollrecht bestimmt wird.


a) Diese enge Verknüpfung mit dem Zollrecht trägt dem Umstand Rechnung, dass die Einfuhrumsatzsteuer eine Einfuhrabgabe ist. Sie gehört nach § 1 Abs. 1 Satz 3 des Zollverwaltungsgesetzes zu den von den Zollbehörden verwalteten Einfuhrabgaben und unterliegt in dieser Eigenschaft –wie ausgeführt– weitgehend den für Zölle geltenden Vorschriften des ZK und der Zollkodex-Durchführungsverordnung. Der Grund, weshalb § 233a AO für Zölle –abgesehen davon, dass die Vorschrift Zölle ohnehin nicht erwähnt– wegen ihrer regelmäßig zeitnahen Festsetzung nach der Zollschuldentstehung auch nicht passte (vgl. Klein/ Rüsken, a.a.O., Rz 8; Schwarz in Schwarz, a.a.O., Rz 1), gilt daher gleichermaßen für die Einfuhrumsatzsteuer.


Während nämlich die Jahresumsatzsteuer am Ende des Kalenderjahres entsteht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662) und ggf. erst weitaus später festgesetzt wird, entsteht die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK mit der Annahme der Zollanmeldung für die Überführung der Ware in den freien Verkehr (vgl. Roger Schwarz in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 21 Rz 6). Unmittelbar danach, grundsätzlich spätestens binnen zwei Tagen nach Überlassung der Waren, ist der Abgabenbetrag gemäß Art. 217, 218 ZK von der Zollbehörde buchmäßig zu erfassen und nach Art. 221 Abs. 1 ZK sodann dem Abgabenschuldner mitzuteilen, der den Betrag gemäß Art. 222 Abs. 1 Buchst. a ZK innerhalb der ihm durch die Zollbehörde gesetzten Frist, die grundsätzlich zehn Tage ab Mitteilung des geschuldeten Abgabenbetrags nicht überschreiten darf und auch bei gewährtem Zahlungsaufschub nicht erheblich länger ist (Art. 227 ZK), zu entrichten hat. Für den Normalfall liegen daher die Zeitpunkte der Entstehung der Einfuhrabgaben und ihrer Fälligkeit –anders als bei der sog. inneren Umsatzsteuer– eng beieinander. Dementsprechend schreibt das Gemeinschaftsrecht mit Art. 232 Abs. 1 Buchst. b ZK zwar vor, dass bei nicht fristgerechter Entrichtung der Einfuhrabgaben Säumniszinsen erhoben werden, kennt aber keine Verzinsung vor Fälligkeit des Abgabenbetrags.


b) Auch wenn der nationale Gesetzgeber nicht gehindert sein dürfte, gleichwohl für Einfuhrabgaben die Verzinsung vor Fälligkeit vorzusehen, so hat er dies jedenfalls weder für Zölle noch für die für eingeführte Waren zu erhebenden Verbrauchsteuern getan. Es ist kein Grund erkennbar, bei der Einfuhrabgabe „Einfuhrumsatzsteuer“ anders zu verfahren. Es spricht daher nichts dafür, § 233a AO dahin auszulegen, dass mit der in Abs. 1 der Vorschrift genannten Umsatzsteuer auch die Einfuhrumsatzsteuer gemeint ist. Dementsprechend ist dem erkennenden Senat aus der Praxis auch kein Fall bekannt, in dem die Zollverwaltung bei der Nacherhebung von Einfuhrabgaben auf die nachzuerhebende Einfuhrumsatzsteuer Zinsen gemäß § 233a AO festgesetzt hat. Vielmehr wird nach Abs. 1 und 2 der Dienstvorschrift zur Änderung von Steuerbescheiden (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung Z 8220) bei zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen Einfuhrumsatzsteuer regelmäßig nicht nacherhoben.


c) Für den Fall, dass Einfuhrabgaben zu erstatten sind, schließt es das Gemeinschaftsrecht in Art. 241 Satz 1 ZK sogar grundsätzlich aus, dass auf den Erstattungsbetrag Zinsen berechnet werden. Auch insoweit eröffnet zwar Art. 241 Satz 2 Anstrich 2 ZK die Möglichkeit abweichender einzelstaatlicher Bestimmungen, jedoch ist aus den bereits dargelegten Gründen nicht ersichtlich, dass es sich bei § 233a AO für den Fall zu erstattender Einfuhrumsatzsteuer um eine solche abweichende Vorschrift handelt (vgl. Gellert in Dorsch, Zollrecht, Art. 241 ZK Rz 3; Witte/Huchatz, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 241 Rz 5; Pahlke/Koenig/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 233a Rz 12). Die Annahme, der Gesetzgeber habe für zu erstattende Einfuhrumsatzsteuer mit § 233a AO von seiner nach Art. 241 Satz 2 Anstrich 2 ZK gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Verzinsung vor Fälligkeit vorzuschreiben, hiervon jedoch für zu erstattende Zölle und bei der Einfuhr erhobene Verbrauchsteuern abgesehen, ist nicht naheliegend und widerspräche dem Grundsatz der einheitlichen Erhebung der Einfuhrabgaben.


Mit der durch Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145/1) angeordneten engen Verknüpfung des Einfuhrumsatzsteuerrechts mit dem Zollrecht (jetzt Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1) und der dementsprechend nach § 21 Abs. 2 UStG vorgeschriebenen sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer soll insbesondere sichergestellt werden, dass die bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben von ein und derselben Behörde in einem Bescheid nach dem gleichen Verfahren aufgrund einheitlich getroffener Feststellungen einfach und zweckmäßig erhoben werden (Senatsurteil vom 6. Mai 2008 VII R 30/07, BFHE 221, 325, ZfZ 2008, 301, m.w.N.). Eine bei der Einfuhrumsatzsteuer gegenüber Zöllen und anderen Einfuhrabgaben abweichende Regelung der Verzinsung vor Fälligkeit ist mit diesem Grundsatz nicht zu vereinbaren.


3. Für eine Verpflichtung des HZA, Prozesszinsen gemäß § 236 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO festzusetzen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da nicht ersichtlich ist, dass das HZA eine Zinsfestsetzung nach dieser Vorschrift ablehnt.