Über mich

Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Steuerrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Zertifizierter Berater für Internationales Steuerrecht (DAA)
Dreikönigstraße 12
79102 Freiburg
Tel 0761 / 29 67 88-0
Fax 0761 / 29 67 88-10
haberbosch@umsatzsteuer-beratung.de

Rechtsgebiete:

– Steuerrecht
– Steuerstrafrecht
– Erbrecht

Betriebsstätte bei nur vorübergehender Nutzungsmöglichkeit

Auch eine nur vorübergehende Nutzungsberechtigung steht der Annahme einer Betriebsstätte nicht unbedingt entgegen. Dies gilt zumindest dann, wenn klar ist, dass die Tätigkeit nahezu ausschließlich an diesem Ort ausgeführt werden kann. Im vorliegenden Urteil wurde einer Ärztin, die im Ausland Schönheitsoperationen nach Auftragslage in fremden Kliniken vornimmt, Recht gegeben.

Urteil des FG Düsseldorf vom 22.07.2009 Az. 5 K 3371/05Revision eingelegt (Az. des BFH: V R 37/09).

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin im Jahr 2002 an zwei in den Niederlanden gelegenen Schönheitskliniken durchgeführte Schönheitsoperationen in Deutschland umsatzsteuerbar und – pflichtig sind.

Die Klägerin war im Streitjahr 2002 in „E-Stadt“ als angestellte Ärztin im Bereich kosmetische Chirurgie nichtselbständig tätig.

Außerdem erzielte sie zusätzliche Einnahmen aus der Durchführung von Schönheitsoperationen in zwei Kliniken in Holland in Höhe von „Z“ €. Nach eigenen Angaben, verfügte die Klägerin an den holländischen Kliniken über keine Belegbetten. Sie suchte in unregelmäßigen Abständen die Kliniken in Holland nach Absprache mit den Klinikbetreibern auf und führte die Schönheitsoperationen durch, tätigte die notwendigen Beratungsgespräche und war zum Teil auch mit den Nachuntersuchungen befasst. Für ihre dortigen Tätigkeiten seien ihr von den holländischen Klinikbetreibern Arzträume zur Verfügung gestellt worden. Auf die klinischen Einrichtungen und das Klinikpersonal habe die Klägerin bei ihren Tätigkeiten zurückgreifen können. Die Honorierung ihrer Tätigkeit erfolgte durch die holländischen Kliniken und nicht durch die jeweiligen von ihr behandelten Patienten, wobei die Kliniken im Gutschriftswege Abrechnungen erteilten.

Diese Tätigkeit der Klägerin in den Niederlanden wurde dem beklagten Finanzamt – FA – erst im Rahmen einer von der Klägerin im Januar 2005 eingereichten Selbstanzeige wegen nicht erklärter Einnahmen bekannt.

Aufgrund der Selbstanzeige der Klägerin und in Anbetracht des Urteils des Bundesfinanzhofs – BFH – V R 27/03 vom 15.7.2004 (BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862), wonach nicht medizinisch veranlasste Schönheitsoperationen grundsätzlich steuerpflichtig seien, erließ das FA am 6.4.2005 einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2002 und setzte hierin die steuerpflichtigen Umsätze in Höhe von „X“ € und die hierauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von „Y“ € fest.

Der Einspruch gegen diese Steuerfestsetzung, den die Klägerin damit begründete, dass aufgrund interner Verwaltungsanweisungen Umsätze aus Schönheitsoperationen erst ab dem 1.1.2003 als steuerpflichtig zu behandeln seien, wurde durch Einspruchsentscheidung vom 14.7.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihre schönheitschirurgischen Leistungen gegenüber den holländischen Klinikbetreibern seien in Deutschland nicht steuerbar, da sie diese Umsätze ausschließlich in Holland erbracht habe. Hierzu hat sie zwei Bescheinigungen der beiden holländischen Kliniken vorgelegt, nach denen ihr in der Klinik A in der Zeit von Mai 2000 bis Juli 2003 und in der Klinik B in der Zeit von September 2002 bis Dezember 2005 jeweils zur Durchführung der Beratungen, Behandlungen, Nachkontrollen und Untersuchungen ein eignes Büro bzw. Arztzimmer zur Verfügung gestanden habe.

Im Anschluss an eine erste mündliche Verhandlung am 6.8.2008 hat die Klägerin ihr Vorbringen ergänzt. Vereinbarungen mit den holländischen Kliniken hätten nur auf mündlichen Absprachen basiert, was allerdings für die Selbständigkeit der von der Klägerin erbrachten Leistungen spreche. Weiterhin habe sie die bei den Kliniken beschäftigten Krankenschwestern, die ihr für ihre Tätigkeiten in Holland zur Verfügung gestanden hätten, jeweils in das neue Operationsspektrum eingewiesen.

Im Rahmen ihrer Tätigkeiten habe die Klägerin die Kliniken in den Niederlanden mehrmals im Monat aufgesucht und dabei entsprechende Untersuchungen, Patientenberatungen und Operationen vorgenommen. Ihre Leistungen seien auf Provisionsbasis vergütet worden, d.h. sie sei anteilig an den Umsätzen beteiligt worden, welche die Kliniken mit den von der Klägerin behandelten Patienten erzielten.

Nach einer weiteren Bescheinigung der Klinik A vom 26.9.2008 habe die Klägerin im Jahr 2000 die Verantwortung für sog. „M-Behandlungen“ übernommen. Zu ihren Aufgaben habe hiernach auch die selbständige Durchführung von Beratungsgesprächen, Nachkontrollen und die Erstellung von Operationsberichten gehört. Die Patientenunterlagen habe die Klägerin in ihr gesondert zugänglichen Räumen verwahrt. Außerdem sei die Klägerin beim niederländischen Ärzteregister unter der Adresse der Klinik angemeldet worden. Die Klägerin habe während ihrer Tätigkeit etwa 10 Tage im Monat die Klinik A aufgesucht.

Eine weitere Bescheinigung der Klinik B enthält im Wesentlichen die gleichen Aussagen.

Die Klägerin weist darauf hin, dass sie im Streitzeitraum in Deutschland ausschließlich nichtselbständig als angestellte Ärztin gearbeitet habe und daher als Sitz ihrer unternehmerischen Tätigkeit nur Holland als Anknüpfungspunkt, nicht aber ihr Wohnsitz in „E-Stadt“ in Betracht komme, da sie nur an den beiden niederländischen Kliniken selbständige Tätigkeiten ausgeübt habe.

Die Klägerin beantragt, den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 6.4.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 14.7.2005 aufzuheben.


Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Das FA meint, dass die Klägerin während ihrer Tätigkeiten an den holländischen Kliniken dort jeweils nicht über gesonderte Betriebsstätten verfügt habe. Es sei auch unstreitig, dass die Klägerin in den Niederlanden auf selbständiger Basis und nicht etwa als Arbeitnehmerin tätig geworden sei. Die Eintragung im niederländischen Ärzteregister besage nur, dass die Klägerin die hinreichende berufliche Qualifikation besitze, biete aber keinen Nachweis für das Vorliegen einer Betriebsstätte. Gegen die Annahme in den Niederlanden unterhaltener Betriebsstätten bzw. fester Niederlassungen der Klägerin spreche insbesondere, dass sie keine hinreichende Verfügungsmacht über die Räumlichkeiten sowie die Personal- und Sachmittel, die sie zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigt habe, innegehabt habe.

Einen während des laufenden Klageverfahrens von der Klägerin beim FA gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung der Umsatzsteuer 2002 aus Billigkeitsgründen hat das FA abgelehnt.

Nachdem der Senat in dieser Sache bereits zwei mündliche Verhandlungen am 6.8.2008 und am 11.3.2009 anberaumt und die Sache jeweils vertagt hatte, um den Beteiligten die Möglichkeit zur weiteren Stellungnahme und Sachverhaltsaufklärung einzuräumen, haben die Beteiligten übereinstimmend auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, da die Klägerin durch die Besteuerung der in Holland erbrachten schönheitschirurgischen Leistungen in Deutschland in ihren Rechten verletzt ist (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer diejenigen Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Klägerin in den Streitjahren gegenüber den holländischen Klinikbetreibern schönheitschirurgische Leistungen selbständig und damit unternehmerisch i.S. des § 2 Abs.1 Satz 1 UStG erbracht hat. Für die Selbständigkeit ihrer Tätigkeit spricht insoweit explizit die Art der Entlohnung in Form einer Umsatzbeteiligung und der Umstand, dass die – ansonsten im Streitjahr nur als angestellte Ärztin arbeitende – Klägerin in den normalen Betrieb der holländischen Kliniken nicht eingegliedert war, sondern nur tageweise auf Anforderung dort ihre chirurgischen Eingriffe vornahm.

Da die schönheitschirurgischen Leistungen auch nicht der medizinischen Behandlung von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienten, sind diese Umsätze grundsätzlich nicht steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 UStG (siehe Urteil des BFH vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862), so dass es erforderlich ist, gemäß § 3a UStG den Leistungsort zu bestimmen.

Die schönheitschirurgischen Leistungen werden von den Spezialregelungen des § 3a Abs.2 bis 5 UStG nicht erfasst. Deshalb bestimmt sich der Ort dieser Leistungen nach

§ 3a Abs.1 UStG.

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Nur wenn die Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt wird, gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung.

Ausweislich des dem § 3a Abs. 1 UStG zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gilt als Ort einer Dienstleistung u.a. der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder üblicher Aufenthaltsort. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, die die Gerichte im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu beachten haben (BFH-Urteil vom 19. November 1998 V R 30/98, BStBl II 1999, 108), ist vorrangiger Anknüpfungspunkt i.S. des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Ein Unternehmer betreibt sein Unternehmen im Allgemeinen dort, wo er seine gewerbliche Tätigkeit anbietet, wo er Aufträge entgegennimmt, ihre Ausführung vorbereitet und die Zahlungen an ihn geleistet werden (BFH-Urteil vom 18.3.1971 V R 101/67, BStBl II 71, 518).

Da die Klägerin im Streitjahr 2002 im Inland lediglich als angestellte Ärztin nicht-selbständig tätig war und deshalb über keine eigene Arztpraxis verfügte, kommt als Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit insoweit nur ihre Wohnadresse in „E-Stadt“ in Betracht, unter welcher sie für die holländischen Klinikbetreiber telefonisch und postalisch für die Entgegennahme der Behandlungs- und Operationsaufträge erreichbar war.

Allerdings ergibt sich aus Art der Tätigkeit der Klägerin die Besonderheit, dass die Klägerin zwar unter ihrer Wohnadresse Operationsaufträge von den Klinikbetreibern entgegennehmen und Terminabsprachen treffen konnte, eine Erbringung der diesbezüglichen Leistungen aber denknotwendigerweise nur vor Ort in den Kliniken selbst möglich war, da die Klägerin bei ihren schönheitschirurgischen Leistungen auf die Infrastruktur der Klinikeinrichtungen und auf das dort zur Verfügung stehende Krankenhauspersonal angewiesen war. Sämtliche Patientenunterlagen wurden in den Kliniken selbst und nicht etwa bei der Klägerin geführt und aufbewahrt. Die Klägerin hatte auch keine direkten Behandlungsverträge mit den Patienten, sondern stand nur zu den Klinikbetreibern selbst in direkter Vertragsbeziehung, die sie in Form einer konkreten Umsatzbeteiligung für ihre schönheitschirurgischen Leistungen bezahlten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH, welcher der BFH gefolgt ist, kann die Niederlassung einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Sitzes ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nur dann als Ort der Dienstleistung im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG betrachtet werden, wenn diese Niederlassung aufgrund des ständigen Zusammenwirkens der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen Personal- und Sachmittel einen zureichenden Mindestbestand aufweist bzw. wenn sie eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (vgl. EuGH-Urteile vom 4. Juli 1985 Rs. 168/84, Berkholz, Slg. 1985, 2251, UR 1985, 226 Rdnrn. 17, 18; vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting-Linien, BStBl II 1998, 282 Rdnrn. 16, 17; vom 20. Februar 1997 Rs. C-260/95, DFDS, UR, 1997, 179Rdnrn. 19, 20). Zudem muss die Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit haben (BFH-Beschluss vom 16.1.2003 V B 47/02, BFH/NV 2003, 830; EuGH-Urteile vom 17. 07. 1997 Rs. C-190/95, ARO Lease, Slg. 1997, I4383 Rdnr. 16; vom 7. 5.1998 Rs. C-390/96, Lease Plan, UR 1998, 343 Rdnr. 24). aa). Der Begriff der in Art.9 der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten „festen Niederlassung“ entspricht dabei vollumfänglich der in § 3a Abs.1 Satz 2, Abs.3 Satz 3 UStG erwähnten Betriebsstätte (siehe u.a. Beschluss des BFH vom 16. Januar 2003 V B 47/02 BFH/NV 2003, 830).

Unter Berücksichtigung der Besonderheit des hier zu beurteilenden Sachverhaltes hält es der Senat für sachgerecht, die beiden schönheitschirurgischen Kliniken in Holland, in denen die Klägerin ihre Leistungen tatsächlich erbrachte, als Betriebsstätten der Klägerin i.S. von § 3a Abs.1 Satz 2 UStG bzw. als feste Niederlassungen gemäß Artikels 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG und damit als Leistungsorte der hier in Frage stehenden Umsätze zu beurteilen.

Hierfür spricht, dass die Klägerin schon von der Art der Leistungen her, welche sie gegenüber den holländischen Klinikbetreibern erbracht hat, diese nur unter Nutzung der in den Kliniken vorgehaltenen Infrastruktur – Operations-, Behandlungs- und Arzträume – und unter Rückgriff auf das dort angestellte Klinikpersonal tätigen konnte. Für die holländischen Klinikbetreiber war offensichtlich alleine die berufliche Befähigung und Erfahrung der Klägerin im Bereich der Schönheitschirurgie und ihr „Know-How“ auf dem Gebiet neuer diesbezüglicher Behandlungsformen (z.B. trug die Klägerin nach der Bescheinigung der Klinik A vom 26.9.2008 für sog. „M-Behandlungen“ die Verantwortung) für deren Beauftragung ausschlaggebend, nicht jedoch eine von der Klägerin selbst vorgehaltene personelle und technische Ausstattung. Vielmehr stellten die Klinikbetreiber selbst die für die angebotenen Behandlungsleistungen notwendigen Räumlichkeiten und Einrichtungen zur Verfügung.

Das FA hat hierzu zwar unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Rechtsprechung des BFH (u.a. Urteil des BFH 4. Juni 2008 I R 30/07, BFH/NV 2008, 1749) vorgetragen, dass es für die Annahme einer steuerlichen Betriebsstätte nicht ausreiche, dass der Unternehmer eine nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage habe und dass das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners für sich genommen selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht genüge, wenn die Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg erbracht werde.

Abgesehen davon, dass diese Rechtsprechung zu dem Betriebsstättenbegriff des § 12 der Abgabenordnung – AO – ergangen ist, während der Betriebsstättenbegriff des § 3a Abs.1 Satz 2 UStG ausschließlich im Sinne des Begriffs der „festen Niederlassung“ i.S. von Art.9 der Richtlinie 77/388/EWG zu verstehen ist (siehe u.a. Beschluss des BFH vom 16. Januar 2003 V B 47/02, BFH/NV 2003, 830), würde nach Auffassung des Senats die Schlussfolgerung, dass mangels hinreichender Verfügungsmacht der Klägerin über die zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigten Räumlichkeiten und Infrastruktur die Annahme „fester Niederlassungen“ in den Niederlanden zu verneinen sei, zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass als Leistungsort nur der Wohnort der Klägerin in Betracht käme. Dies würde aber bedeuten, dass man als Leistungsort hier einen Ort bestimmen würde, der – bis auf die gelegentliche telefonische Terminabsprache oder möglicherweise die Erstellung von Abrechnungen – keinerlei Bezug zu der tatsächlichen Ausgestaltung der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und den holländischen Klinikbetreibern aufweist. Anders ausgedrückt: Unter Hinweis auf eine nicht hinreichende Verfügungsmacht der Klägerin über die von ihr zur Ausübung ihrer Tätigkeit genutzten Räumlichkeiten und Sachmittel am Ort der Tätigkeit gelangte man zur Bestimmung eines Leistungsortes bezüglich der hier erbrachten schönheitschirurgischen Leistungen, der tatsächlich nur eine völlig untergeordnete Rolle (persönlichen Erreichbarkeit der Klägerin) spielte, während der für die tatsächliche Durchführung der Behandlungen und Operationen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung maßgebliche Ort außer Acht bliebe. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Streitjahr 2002 – außer für die holländischen Klinikbetreiber – nicht unternehmerisch tätig war und keinen eigenen Praxisbetrieb im Inland unterhielt, dem man die schönheitschirurgischen Tätigkeiten in Holland hätte zuordnen können.

Im übrigen weicht der hier zu beurteilende Sachverhalt auch insoweit von dem Sachverhalt, über den der BFH in seinem Urteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07 (BFH/NV 2008, 1749) zu befinden hatte, ab, als die Berechtigung der Klägerin, auf die Räumlichkeiten der Kliniken, deren Sachausstattung und deren Personal im Rahmen ihrer Betätigung zurückzugreifen, zwar jeweils nur auf die Dauer der Behandlung oder Operation begrenzt war, jedoch in dieser Zeit der Ablauf der durchzuführenden Arbeiten nach den vorliegenden Bescheinigungen der Kliniken maßgeblich von der Klägerin bestimmt und koordiniert wurde. Von daher ist auch auf die Rechtsprechung des BFH in dessen Urteil vom 14. Juli 2004 I R 106/03 (BFH/NV 2005, 154) hinzuweisen, wonach eine Betriebsstätte eines Beauftragten in den Räumen seines Auftraggebers ausnahmsweise auch dann angenommen werden kann, wenn die zu ihrer Begründung erforderliche Verfügungsmacht nicht das Recht oder die Möglichkeit zur alleinigen Nutzung der betreffenden Einrichtung umfasst.

Auch nach dieser – allerdings ebenfalls zum Betriebsstättenbegriff i.S. des § 12 AO ergangenen – Entscheidung begründet die bloße Möglichkeit zur Mitbenutzung von Einrichtungen eines Dritten zwar keine ausreichende Verfügungsmacht über diese Einrichtungen (BFH-Urteile vom 18. März 1976 IV R 168/72, BFHE 118, 404, BStBl II 1976, 365; vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BFHE 161, 358, BStBl II 1990, 983, 984). Anders soll es hiernach jedoch sein, wenn ein Unternehmen eine solche Einrichtung regelmäßig für eigene betriebliche Handlungen nutzt; in diesem Fall kann das nutzende Unternehmen dort selbst dann eine Betriebsstätte besitzen, wenn es keine rechtlich abgesicherte, sondern nur eine tatsächliche dauerhafte Mitbenutzungsmöglichkeit hat (BFH-Urteil vom 10. Mai 1961 IV 155/60 U, BFHE 73, 134, BStBl III 1961, 317). Dasselbe gilt nach dem Urteil vom 14. Juli 2004 I R 106/03 (BFH/NV 2005, 154) erst recht dann, wenn die Mitbenutzung der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Eigentümer der Räume dient.

Entsprechend verhielt es sich bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt, bei dem die tatsächliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung auf eine – wenn auch nur mündliche – Vereinbarung zwischen den Vertragsbeteiligten dahingehend schließen lässt, die Behandlungen und Operationen, für welche die Klägerin innerhalb des Klinikbetriebs zuständig war, unter Nutzung der hierfür bereitgehaltenen Räumlichkeiten und sonstigen Infrastruktur der Klinikbetreiber durchzuführen.

Ob die Bestimmung des Leistungsortes anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin im Rahmen einer eigenen, im Inland unterhaltenen Arztpraxis aufgrund direkter Vertragsbeziehungen zu den Patienten Behandlungen und Operationen im europäischen Ausland vorgenommen hätte, mag dahin gestellt bleiben. Hier bestand jedoch die Besonderheit (und damit im Gegensatz zu dem Sachverhalt, welcher dem EuGH-Urteil vom 6. März 1997 Rs. C-167/95, EuGHE I 1997, 1195, UR 1997, 217 – tierärztliche Leistungen – zugrunde lag), dass die Klägerin auf die Inanspruchnahme der von ihren Auftraggebern vorgehaltenen Örtlichkeiten und Einrichtungen bei der Erbringung ihrer Leistungen angewiesen war und diese nur „vor Ort“ erbringen konnte, ohne hierbei eigene Sachmittel und eigenes Personal vorhalten zu müssen.

Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass, auch wenn die Verfügungsberechtigung der Klägerin bezüglich der Räumlichkeiten, der Sachausstattung und des Personals, welche sie zur Erbringung ihrer Leistungen benötigte, nur jeweils vorübergehend war, dennoch im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Wohnort und den in Holland gelegenen Kliniken letztere als Betriebsstätten bzw. feste Niederlassungen der Klägerin i.S. von § 3a Abs.1 Satz 2 UStG bzw. i.S. von Art.9 der Richtlinie 77/388/EWG anzusehen sind, denen die Leistungen örtlich zuzuordnen sind.

Dieses Ergebnis wird nach Ansicht des Senats auch dadurch gestützt, dass mit Blick auf die Spezialregelungen des § 3a Abs.2 bis 5 UStG sämtliche dort benannten Leistungstatbestände – soweit sie mit den von der Klägerin erbrachten Leistungen annähernd vergleichbar sind – den Leistungsort ebenfalls nach dem Bestimmungsland- und nicht nach dem Ursprungslandprinzip bestimmen.

Auch wenn sich die schönheitschirurgischen Leistungen nicht unter die Ausnahmeregelungen des § 3a Abs.2 bis 5 UStG subsumieren lassen und auch eine analoge Anwendung (hier wäre insbesondere an § 3a Abs.2 Nr.3 UStG „Arbeiten an körperlichen Gegenständen“ zu denken) mangels einer – im Hinblick auf die Grundregel des § 3a Abs.1 UStG – zu schließenden Regelungslücke nicht möglich erscheint, so dürften dennoch die Wertungen des Gesetzgebers, jeweils bei Werkleistungen i.S. von § 3a Abs.2 Nr.3 Buchst. c) Satz 1 UStG, grundstücksbezogenen Leistungen i.S. von § 3a Abs.2 Nr. 1 Satz 1 UStG bzw. Informationsüberlassung i.S. von § 3a Abs.4 Nr.5 i.V.m. Abs.3 UStG das Bestimmungsland bzw. den Ort, an dem diese Leistungen tatsächlich erbracht werden, als umsatzsteuerlichen Leistungsort zu bestimmen, von Bedeutung sein.

§ 3a Abs.2 Nr.3 Buchst. c) Satz 1 UStG ist nur deshalb nicht einschlägig, weil lebende Menschen keine „beweglichen körperlichen Gegenstände“ darstellen. Eine – für die Subsumierung des Sachverhalts unter § 3a Abs.2 Nr.1 Satz 1 UStG wohl nicht ausreichende – Grundstücksbezogenheit lässt sich hier dem Umstand entnehmen, dass die Klägerin bei der Erbringung ihrer Leistungen auf die in den Schönheitskliniken vorgehaltenen Räumlichkeiten und deren Infrastruktur maßgeblich angewiesen war und nur dort – vor Ort – ihre Behandlungen und Operationen tätigen konnte. Schließlich waren die Leistungen der Klägerin für die holländischen Klinikbetreiber auch deshalb von Nutzen, weil sie in den Kliniken nach eigener Darstellung für die Einführung neuer Behandlungsformen und auch der damit einhergehenden Einweisung des Klinikpersonals zuständig war (Nähe zu § 3a Abs.4 Nr.5 UStG).

Es widerspricht auch dem Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer, deren grundsätzliches Ziel es ist, den Verbrauch in dem Land zu besteuern, in dem die Leistung tatsächlich verbraucht wird, bei dem vorliegenden Sachverhalt eine Besteuerung im Inland nur aufgrund des hiesigen Wohnsitzes der Klägerin vorzunehmen. Denn die von ihr erbrachten Leistungen wurden tatsächlich ausschließlich in den Niederlanden erbracht, dort genutzt und verwertet.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO in vollem Umfang stattzugeben.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache war gemäß § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO die Revision zuzulassen, da nach der Entscheidung des BFH betreffend die Steuerpflicht nicht medizinisch begründeter schönheitschirurgischer Leistungen (siehe Urteil des BFH vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 20904, 862) eine höchstrichterliche Entscheidung hinsichtlich der diesbezüglichen Bestimmung des Leistungsortes noch aussteht.