Vorliegen eines Reihengeschäftes
Das Vorliegen eines Reihengeschäftes im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung muss vom Steuerpflichtigen bewiesen werden, die bloße Behauptung es habe sich um ein Reihengeschäft gehandelt reicht nicht aus.
Beschluss des FG München vom 26.08.2009 Az. 3 V 1503/09 Tatbestand
I. Streitig ist im Klageverfahren unter anderem die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen an einen niederländische Unternehmer (im Folgenden: B).
Die Antragstellerin betreibt unter anderem den Handel von Kraftfahrzeugen. Sie hat in den Streitjahren eine Vielzahl von neuen Kraftfahrzeugen an den niederländischen Unternehmer B veräußert, welche dann überwiegend direkt von der Antragstellerin an französische Abnehmer der B gelangt sind. Die Antragstellerin macht im AdV-Verfahren geltend, dass es sich um Reihengeschäfte nach § 3 Abs. 6 UStG gehandelt habe, bei denen die „bewegte Lieferung“ der Leistung von ihr an die B erfolgt sei, so dass sie die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG zu Recht in Anspruch genommen habe.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unbegründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. BFH-Beschluss vom 2. Juli 2008 IX B 46/08, BFH/NV 2008, 1615, m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben bestehen bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden überschlägigen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2003 und 2004.
Das Gericht hat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit für die streitigen Lieferungen der Antragstellerin an B. Der Sachverhalt ist insoweit bisher unklar, wobei es Sache der Antragstellerin ist, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) schlüssig darzulegen und die erforderlichen Nachweise nach § 17a und § 17c der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) vorzulegen.
a) Die unter dem Namen der B ausgefertigten Bestätigungen, die den Eindruck erwecken, dass die Fahrzeuge in die Niederlande gelangen sollen und gelangt sind, sind unrichtig.
Die Antragstellerin selber räumt ein, dass die Fahrzeuge von ihr direkt zu den französischen Abnehmern transportiert worden sind. Zudem hält es das Gericht bei summarischer Würdigung der Aktenlage für sehr wahrscheinlich, dass Bestätigungen von der Antragstellerin selbst gefertigt worden sind. Damit fehlt es am dahingehenden Belegnachweis (§ 17a UStDV), dass die Fahrzeuge bei ihrer Lieferung durch die Antragstellerin an die B vom Unternehmer (also von der Antragstellerin) oder ihrer Abnehmerin, der B, in die Niederlande befördert (so die Bestätigungen) oder versendet (ein Versendungsnachweis in die Niederlande liegt ohnehin nicht vor) worden sind.
b) Die Fahrzeuge sind zwar – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nach Frankreich und damit i.S.d. § 6a Abs. 1 UStG in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt.
Die Antragstellerin trägt dazu aber vor, die B habe den Spediteur mit dem Transport der Fahrzeuge von der Antragstellerin „zu den französischen Abnehmern“ beauftragt. Gemäß diesem Vortrag der Antragstellerin kommt also nur in Betracht (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), dass bei Lieferung der streitigen Fahrzeuge durch die Antragstellerin der Abnehmer (mithin die B) die Gegenstände der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet hat. Insoweit fehlt es jedoch an der substantiierten Darlegung und Glaubhaftmachung durch die Antragstellerin, dass die B den/die Spediteure/Frachtführer beauftragt hat, was zur Versagung der Aussetzung der Vollziehung führen muss.
Aus den vorhandenen Belegen sollte sich – da nach dem Vortrag der Antragstellerin insoweit Reihengeschäfte zwischen ihr, der B und französischen Abnehmern vorliegen – eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben, wer die Beförderung durchgeführt oder die Versendung veranlasst hat (vgl. Abschnitt 31a Abs. 7 Satz 3 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 2008).
c) Aus den vorliegenden Belegen lässt sich aber die unsubstantiierte Behauptung der Antragstellerin nicht nachvollziehen. Dagegen spricht schon, dass die niederländische Finanzverwaltung im Rahmen der den deutschen Finanzbehörden gewährten Amtshilfe bei der B keine Transportdokumente „angetroffen“ hat. Letztlich spricht dagegen auch die festgestellte Behandlung der Lieferungen durch die B als steuerfrei.
d) Auch bei summarischer Prüfung der Belege in den Akten lässt sich eine Erteilung des Versendungsauftrags durch B nicht erhärten:
aa) So ist z.B. laut Frachtbrief der „C-Spedition“ Auftraggeber des Transports von 8 Fahrzeugen die „Automobiles D“ (ansässig in Frankreich), also ein Abnehmer in der Reihe nach der B.
bb) Ebenso ist im Fall des Fahrzeugs „xy“ der Auftraggeber eine “ Auto D“ in Frankreich ebenfalls ein Abnehmer in der Reihe nach B. Die Bestätigung der deutschen Firma S-GmbH, wonach die Antragstellerin „Ausführer/Versender“ ist, erscheint demgegenüber unrichtig. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.
cc) Beim Frachtbrief der Spedition E-GmbH wurde der offenbar vom Fahrer handschriftlich im Feld A eingetragene Absender „ARS W“ mit dem Stempel der Antragstellerin überdeckt. Im Feld „Ort und Tag der Ausstellung“ wurde der Stempel der Antragstellerin (offenbar ebenfalls nachträglich) eingefügt und außerdem noch unten bei „Empfänger“ die Anschrift der B aufgestempelt und eine Unterschrift beigefügt; dies geschah offenbar ebenfalls nachträglich. Letztlich steht auch hier nicht eindeutig und leicht nachprüfbar fest, dass B (oder auch die Antragstellerin) Auftraggeber dieser Versendung waren.
dd) Bei einem weiteren Frachtbrief/Lieferschein der F-GmbH ist als Absender handschriftlich eine deutsche Spedition eingetragen. Eine Beauftragung durch B oder durch die Antragstellerin ergibt sich aus diesem Frachtbrief ebenso wenig eindeutig.
Der Unternehmer hat aber im Rahmen des § 17a Abs. 1 UStDV leicht und einfach nachprüfbar nachzuweisen, dass die Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer oder Abnehmer erfolgt ist (BFH-Urteil vom 08.11.2007 V R 26/05, BStBl II 2009, 49).
ee) Bei den CMR-Frachtbriefen des Frachtführers G hat als Empfänger der Sendung eine H-GmbH mit Sitz in Deutschland mit Firmenstempel und unleserlicher Unterschrift „unterschrieben“. Davon ausgehend fehlt es – zumal ohne weitere Erläuterung seitens der Antragstellerin – schon am Nachweis der Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, denn der genannte Abnehmer hat seinen Sitz im Inland.
Der CMR-Frachtbrief müsste ferner vom Absender unterschrieben sein (Art. 5 CMR-Übereinkommen) oder zumindest Nachbildungen von dessen Unterschrift durch Druck oder Stempel enthalten (§ 408 Abs. 2 HGB), woran es vorliegend gleichfalls fehlt. Nur handschriftlich ist die Antragstellerin als Absender eingetragen. Ein Hinweis, dass entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin die B der Auftraggeber der Versendung an die französischen Abnehmer gewesen ist, ergibt sich daher aus diesem Frachtbrief ebenfalls nicht.
ff) Ein Frachtbrief der Spezialtransport H-GmbH (bzw. dessen Kopie) hat eine Lieferung von insgesamt sechs Fahrzeugen des Fahrzeugtyps XY zum Gegenstand. Nach den Angaben auf diesem Frachtpapier ist die Firma H als Absender mit dem Stempel der Antragstellerin überschrieben worden. Empfänger der sechs Fahrzeuge ist eine „Auto W in den Niederlanden (= Bestimmungsort der Lieferung). Der Empfang der Sendung wird allerdings von einer Firma „P“ in Frankreich mit Stempel und Unterschrift bestätigt. Auf dem Speditionsbeleg findet sich des Weiteren – ohne erkennbaren inhaltlichen Zusammenhang – ein Stempel der B mit einer unleserlichen Unterschrift. Insgesamt wird der wirkliche Geschehensablauf der Veräußerung dieser Fahrzeuge aus diesem Belegmaterial nicht deutlich; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die B Auftraggeber der Versendung war.
gg) Da es sich – wie von der Antragstellerin angeführt wird – um Reihengeschäfte (vgl. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG) zwischen der Antragstellerin, der B und weiteren Abnehmern in Frankreich gehandelt haben soll, würde zwar die Beauftragung der Versendung durch die B zu einer innergemeinschaftlichen Versendungslieferung der Antragstellerin an die B mit Lieferort im Inland führen, es sei denn der Abnehmer weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer versendet hat (§ 3 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. Satz 1 UStG). Wurde aber die Versendung von einem französischen Abnehmer in der Reihe nach der B in Auftrag gegeben, dann ist die Versendung dem letzten Lieferer in der Reihe Antragstellerin–B–französischer Abnehmer zuzuordnen, mithin der Lieferung der B (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG; Abschnitt 31a Abs. 8 Satz 2 UStR 2008); nur bei der Lieferung durch die B käme dann die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Betracht (vgl. Abschnitt 31a Abs. 2 Satz 2 und 3 UStR 2008). Die Lieferung Antragstellerin-B ist aber in diesem Fall keine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht steuerfrei, denn sie ist als vorangehende Lieferung am Ort des Versendungsbeginns ausgeführt (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG), also im Inland, da hier die Versendung beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG).
Im Übrigen stellt sich die Antragstellerin mit ihren eigenen Ausführungen in Widerspruch, wenn sie einerseits angibt, Reihengeschäfte getätigt zu haben, andererseits aber nichts davon gewusst haben will, dass B die Fahrzeuge an französische Händler weiterverkauft hatte. Die Vornahme eines Reihengeschäftes setzt nämlich eine einheitliche Zuordnungsentscheidung der am Reihengeschäft Beteiligten voraus, in der die Beförderung oder Versendung einer der Lieferungen des Reihengeschäfts zuzuordnen ist (Abschnitt 31a Abs. 7 Satz 1 und 2 UStR 2008). Eine derartige einheitliche Zuordnungsentscheidung kann demnach nur getroffen werden, wenn der erste Unternehmer von der Veräußerung an den dritten Unternehmer weiß.
hh) Ein Beförderungsfall liegt auch dann vor, wenn ein an einem Reihengeschäft beteiligter Abnehmer den Gegenstand der Lieferung selbst abholt (Abschnitt 31a Abs. 3 Satz 2 UStR 2008). So wurde im Fall des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer X das Fahrzeug von dem in Frankreich ansässigen (End-)Abnehmer G in Deutschland selbst abgeholt. Nach der Auskunft der niederländischen Finanzverwaltung kommt aber auch in Betracht, dass weitere Fahrzeuge von französischen Abnehmern abgeholt wurden. In diesem Fall ist die Beförderungslieferung ebenfalls dem letzten Lieferer in der Reihe, also B (Lieferung an G usw.) zuzuordnen (Abschnitt 31a Abs. 8 Satz 2 UStR 2008). Eine Steuerbefreiung nach § 6a UStG für die Antragstellerin kommt ebenfalls dann nicht in Betracht.
e) Über die genannten Widersprüche der Belegführung der Antragstellerin hinaus ist die Glaubhaftigkeit der Belege der B auch deshalb zweifelhaft, weil in den Büroräumen der Antragstellerin im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme im Steuerstrafverfahren ein Stempel B vorgefunden wurde.
f) Das Gericht kann es daher dahinstehen lassen, ob im Streitfall ein Buchnachweis vorliegt, der die Beförderungen oder Versendungen der Kraftfahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet und den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet zutreffend wiedergibt (§ 17c Abs. 2 Nr. 8 und 9 UStDV).
Kategorien: innergemeinschaftliche Lieferung, Umsatzsteuerpflicht
Schlagworte:Belegnachweis, innergemeinschaftliche Lieferung